Mittwoch, 06 Februar 2019 13:37

CAAT: Mit Brain-Organoiden auf dem Weg zur personalisierten Medizin Empfehlung

Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Dundee, dem Unternehmen MicroMatrices und weiterer amerikanischer Forscher haben Wissenschaftler des Centers for Alternatives to Animal Testing (CAAT) in Baltimore ein Glioblastom-Modell in der Petrischale entwickelt und Arzneimittel zur Bekämpfung des gefährlichen Tumors getestet. Damit ist der Weg frei für die schnellere Entwicklung neuer Behandlungsmethoden auf Basis der personalisierten Medizin.


Das Center for Alternatives to Animal Testing (CAAT) an der Johns Hopkins-Universität in Baltimore ist unter anderem bekannt für die Produktion von humanen Gehirn-Organoiden - kleine kugelförmige Gebilde bestehend aus verschiedenen Nervenzell-Typen, Astrozyten und Oligodendrozyten. Die Zelltypen werden aus kommerziell erhältlichen induzierten pluripotenten Stammzellen gewonnen und zeigen untereinander synaptische Verknüpfungen und spontane elektrische Feldpotenziale, wie sie auch im menschlichen Zentralnervensystem zu finden sind. 40 Prozent der Nervenfortsätze werden im Modell mit Gliazellen umhüllt, die Nervenzellen damit myelinisiert, wodurch eine schnellere Erregungsleitung ermöglicht wird.

Die Entwicklungen können zur Untersuchung der Entwicklung von Frühstadien des Gehirns genutzt werden, wie zur Untersuchung schädigender Einflüsse von z.B. Umweltchemikalien (Entwicklungsneurotoxizität), aber auch zur Untersuchung der Entstehung von Krankheiten wie Hirntumore oder z.B. Multiple Sklerose. Für letztere brauchen die Wissenschaftler individualisierte Modelle, da jeder Patient auf eine Therapie unterschiedlich anspricht und zudem Resistenzen auftreten können.

Nun ist es den Wissenschaftlern gelungen, einen gefährlichen Glioblastomtyp in die Sphärenkulturen zu integrieren. Die Zellen stammen von einem Patienten-eigenen Hirntumor, der über eine Operation entfernt worden war. Menschen mit einem derartigen Glioblastom haben eine schlechte Überlebensprognose, daher ist die Entwicklung neuer Therapien dringend geboten. Mit dem Braintumor-Krankheitsmodell konnten die Forscher die krankhafte Veränderung in der Physiologie  der Zellen studieren aber vor allem auch Arzneimittel testen.


Glioblastom-Tumormodell. Das Tumorwachstum wurde mit dem GFP-Kanal des Fluoreszenz-mikroskops beobachtet, so dass die Zahlen der Tumorzellen und der gesunden Hirnzellen in der Sphäre unabhängig voneinander gemessen werden konnten.
Quelle: aus Plummer etal. (2019: Scientific Reports 9:1407, doi.org/10.1038/s41598-018-38130-0, Creative commons 4.0


Da die Beobachtung physiologischer Vorgänge über z.B. eine Fluoreszenzmarkierung mit anschließendem bildgebenden Verfahren bislang jedoch eine Herausforderung war, weil nicht nur die Oberfläche, sondern die gesamte dreidimensionale Sphäre "durchleuchtet" werden muss, kam die neue TMA-Technologie der schottischen Firma MicroMatrices aus Dundee zum Einsatz. TMA heißt Spheroid Tissue Microarray Technology. Über ein Immunfluoreszenzverfahren lassen sich physiologische Vorgänge durch das gesamte kugelförmige Organoid hindurch Lage für Lage sichtbar machen. So konnte auch die Wirkung des Anti-Tumor-Mittels ausschließlich in den Tumorzellen beoachtet werden, die weiter innen in der Sphäre lokalisiert waren.

Für ihre Tests verwendeten sie das Antikrebsmittel Temozolomid, das bei diesem Tumor zusammen mit einer Strahlentherapie zum Einsatz kommt. Sie konnten eine Rückbildung des Tumors beobachteten, ein Vorgang, der mit Geno- und Phänotyp des Tumors in Bezug auf DNA-Reparaturenzyme in Zusammenhang steht. Auf die gesunden Nervenzellen in den Sphären hingegen hatte das Mittel keine Auswirkungen.

Mit ihrem Modell konnte das Forscherteam zeigen, dass es einerseits möglich ist, Glioblastome in einem humanrelevanten Hirnmodell zu züchten, aber hier vor allem auch eine Möglichkeit geboten wird, die Heterogenität der Anti-Tumor-Wirkungsreaktion schneller zu untersuchen als mit aktuellen in vivo Ansätzen im Tier.

Die Wissenschaftler haben ihr Mo9dell im Journal Scientific Reports vorgestellt:
Plummer, S., Wallace, S., Ball, G., Lloyd, R., Schiapparelli, P., Quiñones-Hinojosa, A., Hartung, T. & Pamies, D. (2019). A Human iPSC-derived 3D platform using primary brain cancer cells to study drug development and personalized medicine. Scientific Reports 9:1407, doi.org/10.1038/s41598-018-38130-0

Quellen:
https://us4.campaign-archive.com/?u=066d5d7abe2de2d5e04d214bf&id=5e89919a88
http://www.micromatrices.com/technology/spheroid-tissue-microarrays/
http://www.micromatrices.com/wp-content/uploads/2017/10/SOT-spheroid-poster-2017-a-1.pdf
https://de.wikipedia.org/wiki/Temozolomid