Dienstag, 02 Juli 2019 13:40

Neue in-vitro-/in-silico-Methode sagt medikamentbedingte Leberschäden voraus Empfehlung

Ein internationales Team unter Beteiligung des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der Technischen Universität Dortmund (IfADo) hat eine in vitro/in silico-Methode etabliert, mit der das Risiko von medikamentbedingten Leberschäden in Bezug auf orale Dosen und Blutkonzentrationen vorhergesagt werden kann.


Mit Tierversuchen lässt sich das Risiko von medikamentbedingten Leberschäden nicht zuverlässig abschätzen. Gleichermaßen sind jedoch auch derzeitige in vitro-Testmethoden mit menschlichen Leberzellen von begrenzter Vorhersagekraft. Tierdaten gibt es in Hülle und Fülle, jedoch gibt es derzeit keine zuverlässigen Schwellenwerte für den Menschen, ab denen Toxizität beginnt (LOAELs, lowest observed adverse effect level) oder keine Toxizität vorliegt (NOAELs, non observed adversed effect level). Daher haben die Wissenschaftler nun ein in-vitro-System optimiert, indem sie neuartige Testmetriken integrieren konnten. Ein sogenannter Toxizitätstrenn-Index gibt an, wie gut ein Test zwischen lebertoxischen Wirkungen und nicht-lebertoxischen Wirkungen unterscheiden kann, ein Toxizitätschätz-Index dagegen charakterisiert, wie gut sich lebertoxische Blutkonzentrationen in vivo schätzen lassen.

Die Wissenschaftler arbeiten mit primären menschlichen Leberzellen von drei verschiedenen Spendern. Die Zellen wurden mit den Testsubstanzen in fünf verschiedenen Konzentrationen exponiert. Die Zellen wurden auf Zytotoxizität und Oxidationsstress hin untersucht und relevante Gene aus einem Genexpressionsprofil ausgewählt und integriert.

Für jede der Testsubstanzen wurde ein Physiologie-basiertes pharmakokinetisches (PBPK) Modell entwickelt. Dabei berücksichtigt das Computerprogramm, wie der menschliche Organismus eine Substanz verarbeitet. Daraus lässt sich z.B. die maximale Blutkonzentration einer Testverbindung berechnen.

Das Risiko einer medikamentenbedingten Leberschädigung kann abgeschätzt werden, wenn die maximale Blutkonzentration (Cmax) der Testverbindung bekannt ist. Die akzeptable Tagesdosis kann dagegen bereits auch dann geschätzt werden, wenn Informationen über die Blutkonzentration nicht vorhanden sind.

Nach Optimierung und Überprüfung der neuen Modells mit 28 Substanzen bereits bekannter Lebertoxizität ließen sich alle zutreffend vorhersagen mit Ausnahme von zwei nicht toxischen Substanzen. Das System gab zudem wertvolle Hinweise darauf, welche Gene in humanen primären Leberzellen in vivo-relevant für die Beurteilung einer Toxizität sind und welche die optimale Inkubationszeit ist.

Die Wissenschaftler wollen nun zunächst weitere Substanzen testen.

Das System soll genutzt werden, um ungeeignete Substanzen im Vorfeld auszusortieren, die dann erst gar nicht im Tier getestet werden müssen.

Die Forscher haben ihre Entwicklung im Journal Archives of Toxicology publiziert: Albrecht, W., Kappenberg, F., Brecklinghaus, T. et al.: Prediction of human drug-induced liver injury (DILI) in relation to oral doses and blood concentration. Arch Toxicol (2019). doi: 10.1007/s00204-019-02492-9 (Open Access)

Weitere Informationen:
https://www.ifado.de/blog/2019/07/01/tierversuche-alternative-aus-kulturschale/
http://av-media.vu.nl/mediasite/Play/edd072bf01c94fe6adc7279ed0604ea61d Video of a talk at „10th Symposium of the Section of Pharmaceutical Toxicology of the Dutch Society of
Toxicology (NVT)“ (11th April 2019, Amsterdam)