Sonntag, 07 Juni 2020 20:20

Neues Human-on-a-Chip-System für die Alzheimerforschung Empfehlung

Wissenschaftler des Unternehmens Hesperos Inc., der University of Central Florida, und der Michigan State University haben ein neues Human-on-a-Chip-System entwickelt, mit dem sie die physiologische Auswirkung von bestimmten Molekülformen von β-Amyloid Proteinen erfolgreich untersucht haben.


Alzheimergrundlagenforschung und zur Arzneimittelentwicklung erfolgt meist an transgenen Tiermodellen. Verbindungen, die im Tier als sicher und wirksam identifiziert wurden, haben aber nicht zu einem wirksamen Arzneimittel für den Menschen geführt. Deshalb werden die Hoffnungen auf neue tierversuchsfreie Methoden gelegt. Die Wissenschaftler unter der Leitung von Prof. James J. Hickman, Chef-Wissenschaftler von Hesperos und von der University of Central Florida in Orlando haben ein neues in vitro-Modell entwickelt. Es besteht aus Neuronen der Hirnrinde und kokultivierten humanen Astrozyten auf Mikroelektroden-Arrays. Die Zellen sind aus humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPSC) entwickelt worden.

Ziel der Untersuchungen war es, die Auswirkungen von Amyloid-β- und Tau-Oligomeren auf die Physiologie und Struktur der Neuronen zu untersuchen.

Zwei verschiedene Eiweißablagerungen werden bei Alzheimerpatienten gefunden: β-Amyloid-(Aβ) Plaques und Tau-Fibrillen. Die Proteinablagerungen im Gehirn sind zwar typisch für die Alzheimer-Erkrankung, die Aβ-Proteine kommen aber in verschiedenen Erscheinungsformen vor. Sie treten als Monomere auf, können sich aber auch zu mehreren (Oligomeren) und schließlich zu Fibrillen oder Plaques zusammenlagern. Diese verschiedenen Formen wie Monomere, Oligomere und Plaques haben jeweils unterschiedliche Eigenschaften (1). Welche Form letztendlich für die Neurodegeneration verantwortlich ist, war bislang noch nicht abschließend geklärt.

Die Forscher behandelten die Zellen mit löslichen Aβ-Oligomeren sowie Tau-Oligomeren. Um zu zeigen, dass Tierversuche keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn bringen, wurden zusätzlich Extrakte vom Gehirn AD-transgener Mäuse aus früheren Studien verwendet. Untersucht wurde, ob die Moleküle zu Veränderungen bei den aus iPSC entwickelten Neuronen führt, ohne gleichzeitig den Tod der Zellen auszulösen.

Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass die Behandlung mit Oligomeren innerhalb kurzer Zeit zu einer gestörten Informationsverarbeitung in den Nervenzellen führte, was auf Mikroelektroden-Arrays gemessen werden konnte. Außerdem stellten die Forscher mit Patch-Clamp-Messungen dysfunktionale elektrische Eigenschaften der Nervenzellen sowie morphologisch Veränderungen der Länge der Axone und Verzweigungen fest. Die Viabilität der Zellen wurde jedoch nicht beeinträchtigt.

Die Ergebnisse bestätigen die Eignung des Modells, wichtige Aspekte der Alzheimer-Pathologie, insbesondere Störungen der lang andauernden Verstärkung der synaptischen Übertragung (2) zu reproduzieren. Es ist als Plattform für die Arzneimittelentwicklung für frühe Stadien der Alzheimererkrankung geeignet.

Die Forscher wollen zunächst noch weitere Studien mit bekannten Therapeutika zur Verbesserung der Alzheimer-Symptomatik durchführen.

Originalpublikation:
Caneus, J., Akanda, N., Rumsey, J. W., Guo, X., Jackson, M., Long, C. J., Sommerhage, F., Georgieva, S., Kanaan, N. M., Morgan, D., & Hickman, J. J. (2020). A human induced pluripotent stem cell-derived cortical neuron human-on-a chip system to study Aβ42 and tau-induced pathophysiological effects on long-term potentiation. Alzheimer's & dementia (New York, N. Y.), 6(1), e12029. https://doi.org/10.1002/trc2.12029

Quelle:
https://www.businesswire.com/news/home/20200529005128/en/Hesperos-Human-on-a-Chip%C2%AE-System-Model-Preclinical-Stages-Alzheimer%E2%80%99s

(1) Pharmazeutische Zeitung online (2017). Amyloid-Hypothese. Der eigentlich Schuldige. https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-372017/der-eigentlich-schuldige/
(2) Whitlock, J.R., Heynen, A.J., Shuler, M.G. & Bear, M.F. (2006). Learning induces long-term potentiation in the hippocampus. Science 313(5790): 1093‐1097. doi:10.1126/science.1128134