Mittwoch, 25 November 2020 15:36

Neuer Anlauf: Verfahren zum Ersatz des Draize-Test am Kaninchen Empfehlung

Würzburger Forscher vom Translationszentrum für Regenerative Therapien des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC und ein weiteres Team von Wissenschaftler*innen wollen ein menschliches in vitro-Corneamodell modifizieren und dort eine Messtechnik integrieren, die die Vorgänge in der Zellkultur nicht stört. Mit dem Modell wollen sie den häufig schwer belastenden Augenreizungstest am Kaninchen vollständig ersetzen.


Da bisherige Gewebemodelle jedoch die Unterscheidung zwischen irreversiblen und reversiblen Schädigungen nicht ermöglichen, konnte der Draizetest bislang nur reduziert und nicht ersetzt werden, hieß es in einer aktuellen Pressemitteilung zum Thema.

Trotz zahlreicher Entwicklungen kein Ersatz

Augenreizungstests in vitro wurden schon früher einige entwickelt. Im September 2009 hat die OECD einen in vitro-Test mit isolierter Rinderhornhaut (BCOP-Test) zugelassen (Testrichtlinie 437), der als Ersatz dieses Draize-Tests genutzt werden kann. Das Kurzzeittoxikologie-Labor des Chemieriesen BASF hatte zur Messung von Substanzwirkungen auf dieses Augengewebe eigens ein Gerät weiterentwickelt und zertifiziert, den Opacitometer.  Der BCOP-Test war jedoch für das Erkennen stark augenreizender Substanzen entwickelt worden. Zudem wurden in den letzten Jahren auch einige Cornea-Modelle aus menschlichen Zellen entwickelt.




Wartet noch immer auf das Recht, durch unversehrte Augen zu sehen: Kaninchen im Draize-Test
Foto: People for the Ethical Treatment of Animals (PETA)


Es ist aber derzeit noch kein Test anerkannt, der zwischen leicht Augen-reizender und nicht-reizender Substanzwirkung unterscheiden kann. Deshalb wurde vom BASF-Labor eine abgestufte Teststrategie aus zwei kombinierten Methoden, dem BCOP-Test und einem rekonstruierten Cornea-Modell aus menschlichem Gewebe bei der OECD vorgeschlagen, um letztendlich den Draize-Test vollständig zu ersetzen. Mit diesem neuen Modell ließen sich stark reizende Substanzen (GHS-Kategorie 1),  moderat oder leicht reizende Sustanzen (GHS-Kategorie 2) und nicht reizende Substanzen routinemäßig testen und korrekt klassifizieren.

Neben dem BCOP gibt es noch einen weiteren Test, der seit 2018 ebenfalls als Alternative zum Kanincheneinsatz genutzt werden kann: der Isolated Chicken Eye Test (OECD Testrichtlinie 438) mit Augen von geschlachteten Hühnern. Er ermöglicht ddie Erkennung von schwer schädigenden Substanzen, für die eine Klassifizierung nach dem GHS-System (Global Harmonized System) nicht notwendig ist. Ferner gibt es das Testverfahren mit rekonstuiertem der menschlichen Cornea-ähnlichem Oberflächengewebe (RhCE) nach Testrichtlinie 492. und die Vitrigel-Eye Irritancy Testmethode (Testrichtlinie 494).

Vor vier Jahren wurde sogar eine Arbeitsgruppe bei der UNO eingerichtet. Das Joint Research Center ist hier gemeinsam mit der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) und den Direktionen Umwelt, Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU der Europäischen Kommission als aktives Mitglied vertreten. Die Arbeitsgruppe erarbeitet derzeit Kriterien zur Bewertung schwerer Augenschäden und -reizung, um eine internationale Einigung über die Einführung tierversuchsfreier Methoden für Klassifizierung okulärer Effekte zu erreichen.

Jedoch wies die OECD darauf hin, kein einzelner Augenreizungstest in der Lage ist, den in vivo-Versuch am Kaninchen für das vollständige Reizungsspektrum und die verschiedensten Chemikalien zu ersetzen. jedoch könne dies eine Kombination aus tierleidfreien Methoden in einer abgestuften oder integrierten Teststrategie bewirken (1). Aus diesem Grunde gibt es bereits seit 2017 das Guidance Dokument Nr. 263 über einen integrierten Ansatz (IATA) zur Bewertung schwerer Augenschäden und Augenreizung (2).

Hier zeigt sich, dass mit einer gezielten Ausstiegsstrategie und zielgerichteten Verfolgung und Entwicklung noch fehlender Aspekte einer Teststrategie vielleicht mehr gewonnen worden wäre.

Wissenschaftler*innen aus Aachen hatten bereits im Jahr 2014 den EVEIT-Test entwickelt, mit dem sowohl chemische, pharmakologische sowie kosmetische Substanzen und Produkte getestet werden können. Während mit dem BCOP-Test Chemikalien nur im Hinblick auf ihre akute Wirkung getestet werden können, läßt sich mit dem EVEIT-System zusätzlich auch eine Heilung oder auch Nicht-Heilung innerhalb einer definierten Zeit beobachten (3). Demnach existiert bereits seit Jahren ein Test auf Reversibilität- allerdings am Kaninchenauge von Schlachttieren (4).

Finanziert wird das neue Projekt in Würzburg vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Förderprogramms »Alternativen zum Tierversuch«.

Quelle:
https://www.regenerative-therapien.fraunhofer.de/de/aktuelle-projekte-und-news/projektstart-ImAi-weltweiten-standard-tierversuch-ersetzen.html

Zuätzlich:
(1) https://www.oecd-ilibrary.org/
(2) https://www.oecd.org/
(3) https://www.invitrojobs.com/
(4) https://www.acto.de/eveit.html