Die Erforschung der Pathogenese von an den Menschen angepassten Mikroorganismen ist schwierig, da die häufig eingesetzten Kleintiermodelle die menschliche Physiologie oft nicht nachbilden können. Die Aufklärung der molekularen Infektionsmechanismen von bakteriellen Krankheitserregern wie Shigellen und der Mikroorganismen-Wirt-Interaktionen ist jedoch entscheidend für ihre Bekämpfung. Das Bakterium Shigella flexneri verursacht beim Menschen schwere Darmentzündungen und ist jährlich für zahlreiche Todesfälle verantwortlich, insbesondere bei Kleinkindern.
Das Wissenschaftsteam hat nun eine genomweite Karte von Shigella-Genen erstellt, die das Bakterium für die Besiedlung eines artspezifischen Darmepithels nutzt. Für ihre Untersuchungen züchteten die Forscherinnen und Forscher organotypische Gewebekulturen aus dreidimensionalen Darmepithel-Organoiden, welche aus menschlichen Stammzellen entwickelt wurden. Das Ausgangsgewebe dafür stammte von übrig gebliebenem chirurgischem Gewebe. Sie führten Hochdurchsatz-Infektionstests der Zellen bzw. der Gewebe mit Shigella durch und nutzten die Methode der sogenannte Transposon-gesteuerte Insertionsstellen-Sequenzierung (TraDIS), funktionelle Genomik, Proteomik sowie eine computergestützt Modellierung.(1)
Bei der TraDIS-Methode werden mit Hilfe von "springenden Genen" (Transposons) Mutanten des Bakteriums erzeugt und eine Mutantenbibliothek erstellt.(2) Wenn sich das Transposon in ein essentielles Gen oder einen essentiellen Bereich des Bakteriums einfügt, ist der Mutant nicht lebensfähig und überlebt die Selektion nach der Transformation nicht. Wenn sich das Transposon jedoch in ein nicht essentielles Gen oder einen nicht essentiellen Bereich einfügt, bildet der Mutant eine Kolonie und ist in der Bibliothek vertreten. Die Transposon-genomische DNA-Verbindungsstellen des Mutantenpools können dann sequenziert werden, um die Regionen des Chromosoms zu identifizieren, die gestört werden können. Bei ausreichender Mutantendichte können mit dieser Methode alle genetischen Loci identifiziert werden, die für das Wachstum und Überleben der Bakterien essenziell sind. Bioinformatische Analysen können diese Sequenz dann auf das Referenzgenom zurückverfolgen, um die genaue Position der Transposon-Insertion zu bestimmen. Dies kann dann visualisiert und quantifiziert werden, um essentielle Gene, nicht essentielle Gene und essentielle Regionen von Genen oder genomischen Sequenzen zu identifizieren.(3)
Den Forscherinnen und Forschern gelang es, die Virulenzeffektoren von Shigella zu identifizieren, die für die Besiedlung von Epithelzellen in verschiedenen Geometrien und Darmsegmenten wesentlich sind. Es gelang ihnen, über 100 chromosomale Gene zu identifizieren, die an diesem Prozess beteiligt sind.(1)
Originalpublikation:
(1) Di Martino ML, Jenniches L, Bhetwal A, Eriksson J, Lopes ACC, Ntokaki A, Pasqua M, Sundbom M, Skogar M, Graf W, Webb DL, Hellström PM, Mateus A, Barquist L, Sellin ME: A scalable gut epithelial organoid model reveals the genome-wide colonization landscape of a human-adapted pathogen. Nature Genetics, 2025, DOI: 10.1038/s41588-025-02218-x
Weitere Informationen:
https://www.helmholtz-hzi.de/media-center/newsroom/news-detailseite/mini-organe-aus-dem-labor-enthuellen-strategien-aggressiver-bakterien/
Zusätzliche Informationen:
(2) Warner IA, Kok WJ, Martinelli N, Yang Z, Goodall ECA, Henderson I. Microbial Primer: Transposon directed insertion site sequencing (TraDIS): A high throughput method for linking genotype to phenotype. Microbiology (Reading). 2023 Nov;169(11):001385. doi: 10.1099/mic.0.001385. PMID: 37909267; PMCID: PMC10710833.
(3) Endres JL, Yajjala VK, Fey PD, Bayles KW. Construction of a Sequence-Defined Transposon Mutant Library in Staphylococcus aureus. Methods Mol Biol. 2019;2016:29-37. doi: 10.1007/978-1-4939-9570-7_3. PMID: 31197706.